Aus dem Pfadfinder-Brief Nr. 09 vom 08. Mai 2022, von Daniel Haase
«Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.»
Mark Twain (1835-1910, amerikanischer Schriftsteller)
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
in den vergangenen Jahren haben wir beim HAC mehrfach davor gewarnt, dass Investoren in traditionellen Mischfondskonzepten auf große Enttäuschungen zusteuern: Zuerst verschwanden die Zinskupons im Rentenanteil, doch das fiel über Jahre nicht allzu sehr auf, da die Anleiherenditen weiter sanken und Kursgewinne den zunehmenden Mangel an Kupons kaschierten. Dann kam die Hausse am Rentenmarkt im Zuge der Corona-Maßnahmen zu einem Ende und die Renditen am Rentenmarkt drehten langsam aber stetig nach oben. Zum Kuponmangel im Anleiheportfolio gesellten sich nun Kursverluste. Immerhin stiegen die Aktienmärkte – zumindest im ersten Halbjahr 2021 – weiter kräftig, sodass die Investoren in ausgewogenen und dynamischen Mischfonds-Strategien nochmals ein schönes Börsenjahr genießen konnten. Es war eine letzte Schonfrist. Sie endete zur Jahreswende 21/22: Nachdem bereits im ersten Quartal 2021 der MSCI Emerging Markets – angeführt von China – sein Hoch markierte und nach unten drehte, breitete sich die Schwäche im zweiten Halbjahr von der Peripherie zunehmend in Richtung Zentrum aus: Japan und US-Nebenwerte (Russell 2000) toppten im dritten Quartal, Mid- und Small-Caps aus Europa folgten kurze Zeit später. Zum Jahresbeginn drehten nun auch die Marktschwergewichte in Europa und Amerika und damit das Zentrum des Bullenmarktes. Seither sind die Aktienindizes weltweit massiv unter Druck (s. Abb. 1).
In früheren Zeiten generierten Renten in einem solchen Marktumfeld über Zinskupons und Kursgewinne einen Sicherheitspuffer, der zumindest einen Teil der Verluste im Aktienportfolio ausgleichen konnte. Doch dieser natürliche Schutzmechanismus für traditionell aufgestellte Mischfonds existiert nicht mehr. Zu zweistelligen Kursverlusten bei Aktien gesellten sich zusätzliche, erhebliche Kursverluste auf der Rentenseite. Wer bereits in den Vorjahren aus erstklassigen in zweitklassige Staatsanleihen in Unternehmens-, Schwellenländer- oder Hochzinsanleihen ausgewichen war, um dem Negativzins zu entkommen, wurde in diesen Marktsegmenten durch die Rückkehr der Risikoprämien zusätzlich zum Renditeanstieg regelrecht zerquetscht.
Eine bekannte Börsenweisheit lautet, dass die eigene Gier und Angst die größten Feinde des Anlegers seien, doch das ist meines Erachtens nur die halbe Wahrheit: Die Gier ist schnell verflogen, wenn ein Bärenmarkt beginnt und auch die Angst, das Entsetzen und die Panik sind üblicherweise nur von begrenzter Dauer. Deutlich gefährlicher ist eine andere Emotion: Hoffnung. Es ist die Hoffnung auf Besserung, die Hoffnung auf die Rückkehr der altbekannten, vertrauen und für die eigene Strategie vorteilhaften Verhältnisse und zuletzt die Hoffnung auf wenigstens einen besseren Ausstiegszeitpunkt, die viele davon abhält, die oft unbarmherzige Wirklichkeit zu erkennen und trotz der damit verbundenen Schmerzen unverzüglich (juristisch: „ohne schuldhaftes Zögern“) zu handeln.
Derzeit dürften viele Investoren und vermutlich auch so manche Asset Manager von traditionell aufgestellten Mischfonds hoffen, dass es sich bei den immensen und vor allem zeitgleichen Verlusten von Aktien und Renten im laufenden Jahr um eine nicht weiter beachtenswerte Anomalie handelt. Sie könnten hoffen, dass ihnen die Aktienindizes schon bald wieder zu Kursgewinnen verhelfen und ihre Rentenportfolios in kommenden Krisen einen Teil des Aktienrisikos ausgleichen. Ein Blick auf die 60erund 70er-Jahre offenbart die erheblichen Gefahren, die mit dieser Hoffnung verbunden sind (s. Abb. 2).
In den zunehmend inflationären Zeiten entwickelten sich Aktienindizes unter starken Schwankungen nominal bestenfalls seitwärts, real erlitten passive Indexinvestoren katastrophale Verluste. Was für Mischfonds noch schwerer wiegt: Die Beimischung von Anleihen reduzierten seinerzeit die Risiken im Aktienportfolio nicht, sie verstärkten über weite Strecken mit zeitgleichen Kursverlusten den Stress für Investoren sogar.
Als wir vor gut sieben Jahren unseren STIFTUNGSFONDS auflegten, haben wir uns ganz bewusst von traditionellen Mischfondskonzepten abgegrenzt und zur Renditeerzielung auf eine regelbasierte, betont konservative, benchmark-unabhängige und international sehr breit gestreute Aktienauswahl gesetzt. Der Gefahr von Rücksetzern begegnen wir durch aktive Risikosteuerung (Pfadfinder-System). In der Kombination erzielten wir im Vergleich zur „FWW-Fondsvergleichsgruppe Mischfonds flexibel Welt“ eine mehr als doppelt so hohe Gesamtperformance (+45,8% statt plus 19,9%) bei – in Risikophasen – signifikant kleineren Drawdowns – auch im laufenden Jahr. Die 20erJahre beginnen, sich im Sinne Mark Twains auf die 1970er zu reimen. Wir sind auf dieses Marktumfeld vorbereitet. Traditionelle Mischfondsstrategien sind es nicht. Wer dort noch engagiert ist, sollte aufhören zu hoffen und unverzüglich handeln.
Herzlichen Grüße
Ihr Daniel Haase
PS: Der nächste Pfadfinder-Brief ist für Samstag, den 28. Mai 2022 geplant.